Sonntag, 30. Juni 2013

Phettberg, Jeansboys, Web 2.0

Mitte der 1990er Jahre war er einer der meistumjubeltsten TV-Stars des ORF. Phettbergs Nette Leit Show genießt, obwohl nur vergleichsweise wenige Folgen produziert wurden, bis heute Kultstatus, während es um ihren Moderator vergleichsweise ruhig geworden ist.

Nach mehreren Schlaganfällen Ende der 2000er Jahre hat sich Hermes Phettbergs Gesundheitszustand in jüngster Zeit wieder einigermaßen stabilisiert - ein Comeback im Fernsehen erscheint dennoch unwahrscheinlich. Den Widrigkeiten zum Trotz ist Phettberg bis heute aktiv und das primär in schriftlicher Form und mit beachtlichem Output. Seit 2007 führt er ein tägliches, mitunter sogar stündliches, Gestionsprotokoll, das jeden Sonntag gesammelt auf www.phettberg.at publiziert wird. Auszüge daraus werden von seinem Herausgeber McGoohan in tweetbare Form gebracht und unter @phettberg_mcgoo getwittert. Zugleich sind die Gestionsprotokolle auch der Textsteinbruch, aus dem sich Phettbergs wöchentlicher Predigtdienst für den Falter zusammensetzt. Ein Fake ist hingegen der unter Hermes Phettberg firmierende Facebook-Account. Der echte Phettberg hat damit nicht das geringste zu tun und ist dem Vernehmen nach wenig begeistert von diesem Identitätsklau.

Schon zum zweiten Mal binnen weniger Jahre wird Phettberg in einer Kinodokumentation porträtiert. Nachdem das Publikum mit Kurt Palms Hermes Phettberg, Elender bereits eine Art "Best of Phettberg", reichlich gespickt mit Anekdoten und Archivmaterial, bestaunen durfte, konzentriert sich Der Papst ist Kein Jeansboy (Regie: Sobo Swobodnik) auf das aktuelle Alltagsleben des einstigen ORF- und ATV-Stars. In Schwarz-Weiß gedreht, nimmt der Film die Position eines Gastes in Phettbergs Mikrouniversum ein, das sich in seiner und um seine Wohnung in Wien-Gumpendorf entfaltet. Im Zentrum des Filmes steht Phettbergs Textarbeit und die soziale Interaktion mit einigen Menschen, die ihn regelmäßig besuchen. Seine Texte werden aus dem Off von Josef Hader eingelesen und bilden die dramaturgische Klammer des Films. In einer von Cornelia Klauß verfassten Rezension zu Der Papst ist kein Jeansboy, die auf der Homepage des Stadtkinos wiedergegeben wird, ist über Phettberg zu lesen:
"Der Körper ist zwar ein einziger 'Scheiterhaufen' und das Sprechen fällt ihm schwer, aber das Hirn arbeitet weiterhin im Stakkato. Der immer wieder neu ansetzende retardierende Rederhythmus hat in seiner Diktion nun schon die höheren Weihen einer Thomas-Bernhard-Anmutung erlangt."
Der Papst ist kein Jeansboy schafft es, die Spannung zwischen Hommage und differenzierter Darstellung aufrecht zu halten. Es handelt es sich zugleich um ein sensibles, empathisches Portrait und um eine filmisch gelungene Darstellung der vielschichtigen Persönlichkeit Phettbergs. Dabei wirkt er selbst keineswegs immer sympathisch. Etwa wenn Sätze wie "Frauen lügen, wenn sie den Mund aufmachen" aus seinem Mund zu hören sind und er das Interview wenig später wütend abbricht. Doch gerade dadurch, dass derartige Passagen nicht aus dem Film herausgeschnitten wurden, hat Sobo Swobodnik ein Werk geschaffen, dem es gelingt, viele Aspekte des Mikrokosmos Phettberg einzufangen und auf beachtenswerte Weise für die Nachwelt zu konservieren. Unfreiwilliges AußenseiterInnentum, Sehnsucht nach Liebe und unerfülltes Begehren können - gerade in einer Gesellschaft wie dieser - als kulturelle Konstanten betrachtet werden, weshalb Der Papst ist kein Jeansboy mehr als nur Film über den Mensch Hermes Phettberg ist.

Ab 5. Juli 2013 ist Der Papst ist kein Jeansboy im Filmhaus Kino am Spittelberg in 1070 Wien zu sehen. Am 9. Juli ist wird er in Anwesenheit von Josef Hader und Hermes Phettberg gezeigt.

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