Montag, 21. Januar 2013

Der Premierminister fickt ein Schwein - Drei Mediendystopien für Eilige

Die dreiteilige Miniserie Black Mirror (Channel 4) dreht sich um das schwarze Rechteck in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen - heutzutage oftmals als Pad, Smartphone oder HD Bildschirm, früher noch primär als TV-Gerät anzutreffen.

Jede Folge erzählt eine abgeschlossene Geschichte, die für sich alleine steht. Die erste spielt in einem London, dass mit dem heutigen weitgehend ident ist. Fiktiv sind lediglich die handelnden Figuren. Eine wichtige Prinzessin wird entführt. Der Entführer fordert, dass der Premierminister live im Fernsehen Geschlechtsverkehr mit einem Schwein (einem Schwein!) hat. Nicht nur die Entführung selbst, sondern insbesondere die psychischen, medialen und gesamtgesellschaftlichen Dynamiken, die ein derartiges Ereignis begleiten (Premierminister fickt Schwein im Fernsehen! Ist das Kunst?) sind Gegenstand der mit "The National Anthem" betitelten Folge.

Die zweite Folge trägt den Titel "15 Million Merits" und spielt in einem fensterlosen Gebäude, dessen Wände fast ausschließlich aus HD Bildschirmen bestehen. Die Menschen in dem Gebäude sitzen den ganzen Tag an Heimfahrrädern um Punkte zu sammeln. Wer genug Punkte gesammelt hat, darf diese gegen einen Auftritt in einer Castingshow tauschen. Die an Formate wie The X Factor oder Das Supertalent angelehnte Castingshow ist eine Art Personaldistributionsplattform. Von der Pop- bis zur Pornoindustrie beliefert die Jury sämtliche Unterhaltungsbranchen mit frischem Humankapital. Selbst der radikale Kritiker des Systems wird von der Jury in selbiges integriert, womit der Fernsehkritiker, Drehbuchautor und TV-Entwickler Charlie Brooker wohl zu einem gewissen Grad auf sich selbst verweist.

Wie funktionieren heterosexuelle Zweierbeziehungen in einer Gesellschaft, in der alle eine Kamera in ihr Auge implantiert haben, die alles pausenlos aufzeichnet und abrufbar macht? Die Black Mirror Folge "The Entire History of You" versucht diese Frage anhand einer Beziehung, die aufgrund von Vertrauensbrüchen kurz vor dem Scheitern steht, zu beantworten. Hier wird digital gespeicherte Schmutzwäsche gewaschen und eine bedrohlich wirkende Eskalationsspirale in Gang gesetzt.

Bemerkenswert an Black Mirror ist nicht zuletzt die Auswahl der DrehbuchautorInnen. "15 Million Merits" wurde von der The X Factor Moderatorin Konnie Huq mitgeschrieben. Die dritte Folge stammt vom ehemaligen Politikberater Jesse Armstrong, der auch an der Entstehung der Politsatire The Thick of It (BBC Four) und der Sitcom Peep Show (Channel 4) beteiligt war.

Black Mirror ist die mit Abstand düsterste Serie, die Charlie Brooker bisher gemacht hat. Sieht man von der ersten Folge ab, gibt es kaum was zu lachen. Dafür ist die Serie reich an Denkanstößen zu den Wechselwirkungen von Technik und Gesellschaft. Eine zweite Staffel ist in Planung.


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