Sonntag, 9. Dezember 2012

Fragt doch bitte auch Männer, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen!

Die Frage, wie unter den gegebenen Verhältnissen Beruf und Familie unter einen Hut gebracht werden können, ist zweifellos eine spannende und insbesondere für Frauen nicht selten eine sehr prekäre. Damit sich das ändert, sollte diese Frage öfter an Männer gerichtet werden.

Gleich zwei mal wird in der Wien heute (ORF 2) Ausgabe am 8. Dezember 2012 die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestellt. Ein Beitrag von Katharina Reigersberg porträtiert die Designerin Kathryn McDaniel, die das Babytragetuch "Tragmich" erfunden hat. In dem Beitrag geht es unter anderem darum, dass McDaniels Arbeit in Manhattan mit der Betreuung ihrer Kinder nicht mehr vereinbar war. Seit sie in Wien ihre eigene Firma hat, kann sie die Kinder zur Arbeit mitnehmen und ermöglicht das auch ihren Mitarbeiterinnen, was ihre und deren Situation wesentlich vereinfacht hat.

Stutzig gemacht hat mich jedoch ein anderer Beitrag. In "Die Menschen hinter dem Hauptbahnhof" porträtiert Norbert Fiala zwei Männer und eine Frau, die unterschiedliche Spitzenpositionen rund um Planung und Bau des Hauptbahnhof Wien besetzen. Über den Gesamtprojektleiter Karl Johann Hartig erfahren wir, dass er Chemie und Physik studiert hat. ÖBB Projektleiter Heinz Gschnitzer erzählt uns von statischen Herausforderungen sowie den Projekten, in die er bisher involviert war. "Das Technik nicht nur Männersache ist, ist hier bewiesen", leitet die Off-Stimme zu Judith Engel, ebenfalls ÖBB Projektleiterin, über. Über sie erfahren wir weder, was sie studiert hat, noch in welche anderen Projekte sie bisher eingebunden war. Stattdessen werden wir darüber informiert, dass "Beruf und Familie (...) für Judith Engel kein Widerspruch" ist, sie eine fünfjährige Tochter hat, die einen Kindergarten besucht und während der Planungen für den Hauptbahnhof auf die Welt gekommen ist. Wie sich beides vereinbaren lässt, beantwortet Engel wie folgt:
"Meine Tochter ist mitten im Projekt auf die Welt gekommen. Das ist vermeintlich ein ungünstiger Zeitpunkt, aber ich denke, es gibt keinen günstigen oder ungünstigen Zeitpunkt. Wir haben damals in der Familie - mein Mann, meine Familie - beratschlagt, wie wir das organisieren können und mit sehr viel Disziplin, sehr viel Organisation und gemeinsamer Leistung geht das jetzt auch sehr gut."
Ein Schlüssel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist also - wer hätte das gedacht -, dass sich beide Elternteile für die Kinderbetreuung zuständig fühlen. Deshalb wäre es zu begrüßen, wenn JournalistInnen auch beruflich erfolgreiche Männer verstärkt danach fragen würden, wie sie das mit den Kindern trotz ihres stressigen Berufs hinkriegen. Denn es ist schon auffällig, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Karriere fast immer nur an Frauen gerichtet wird.

Also liebe JournalistInnen: Setzt die Forderung in der Überschrift dieses Artikels in der Praxis um und ihr werdet so manche bezeichnende Antwort von Männern in Spitzenpositionen zu Tage fördern.


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